Am 17. Februar, dem Tage der Geburt von Ernst Troeltsch, ist im Jahr 1981 in seinem Geburtsort Haunstetten bei Augsburg die Ernst-Troeltsch-Gesellschaft gegründet worden.
Die Grundlagen der evangelischen Theologie in diesem Jahrhundert sind nicht zu denken ohne die Arbeit von Ernst Troeltsch. Er war in den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der wichtigste deutschsprachige Theologe, der die Diskussion um Religion unter den Bedingungen der modernen Gesellschaft weit über die Theologie hinaus entscheidend bestimmte. Viele Fragen, die er an Theologie und Kirche stellte, wurden nach seinem Tode 1923 in der deutschen Theologie rasch verdrängt, obwohl die neuen Positionen sich alle über eine Auseinandersetzung mit Troeltsch bildeten. Die internationalen Wirkungen von Troeltsch dagegen sind, vor allem im nordamerikanisch-angelsächsischen und romanischen Bereich, lebendig geblieben, und von Geschichtswissenschaft, Philosophie und Soziologie wird er als einer ihrer bedeutendsten Theoretiker unseres Jahrhunderts in Anspruch genommen. Für die interdisziplinären Aufgaben der Theologie im Verhältnis zu diesen Wissenschaften ist er bis heute der wichtigste Anknüpfungspunkt.
Darüber hinaus gibt es deutliche Anzeichen für ein neues Interesse katholischer Theologen an Troeltsch, der bis zu seinem Tode enge Verbindungen zu Kreisen des liberalen Katholizismus unterhalten hat. Ernst Troeltsch war ein Sohn der evangelisch-lutherischen Kirche Bayerns, vor der er das Erste und das Zweite Theologische Examen jeweils als bester seines Jahrgangs ablegte. Er war in dem damaligen Münchner Predigerseminar, erhielt das bekannte Von-Biarowsky-Stipendium und wurde 1888 in der Matthäus-Kirche zu München ordiniert. Nach seinem Eintritt in den preußischen Staatsdienst als Professor zunächst in Bonn wurde er auf eigenen Wunsch zeit seines Lebens im Personalstand der Landeskirche unter den „Lehrern im geistlichen Amt“ geführt.
Das wissenschaftliche Interesse an Troeltsch hat sich innerhalb und außerhalb der Theologie in den zurückliegenden Jahren deutlich belebt. In der heutigen Situation sind viele Probleme und Forderungen erneut aktuell, mit denen Troeltsch zu seiner Zeit hervorgetreten ist. Dazu gehören seine Herausforderung des Absolutheitsanspruches des Christentums im Verhältnis zu anderen Religionen und die Einsicht in die kulturspezifischen Grenzen europäischer Theologie, die Aufmerksamkeit für das enge Wechselverhältnis von Religion und Gesellschaft und die Einführung sozialgeschichtlicher Fragestellungen in die Kirchen- und Dogmengeschichte, seine neue Sicht des Verhältnisses von Reformation und Neuzeit oder sein Programm einer „elastischen Volkskirche“. Troeltsch, der politisch entschieden für die Weimarer Republik sich einsetzte, trat damals, gegen die Mehrheit des deutschen Protestantismus, für die Demokratie ein und verstand Kritik als einen Schritt zu neuem Aufbau.
Die Ernst-Troeltsch-Gesellschaft soll dem Studium des Werkes von Troeltsch und seiner Bedeutung für die wissenschaftliche Arbeit der Gegenwart dienen. Sie will das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen, die das Werk von Troeltsch berühren, pflegen und zu diesem Zweck Kolloquien und Kongresse veranstalten. Sie fördert insbesondere eine kritische Edition sämtlicher Werke von Troeltsch, deren Planung sich in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Unterstützen will die Gesellschaft dabei den Aufbau eines Troeltsch-Archivs an der Universität Augsburg und einer Arbeitsstelle an der Universität München. Die Gesellschaft will zu einer Erneuerung und Belebung der von Troeltsch ausgehenden Impulse beitragen.