Nach der Aufnahme des Projekts „Kritische Ausgabe sämtlicher Schriften Ernst Troeltschs“ in die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Jahr 1995 begannen die Arbeitsstellen in Augsburg, Frankfurt/Oder, München und Tübingen im Herbst 1995 mit der Editionsarbeit am Großprojekt „Troeltsch KGA“. Als Hauptherausgeber zeichnen im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Friedrich Wilhelm Graf, Volker Drehsen, Gangolf Hübinger und Trutz Rendtorff verantwortlich. Mit dem Verlag Walter de Gruyter konnte ein renommierter Verlag gewonnen werden, der mit hoher Professionalität dieses Projekt verlegerisch betreut.

Die Troeltsch KGA ist auf gut 20 Bände angelegt. Sie umfaßt alle von Troeltsch veröffentlichten Texte sowie die handschriftlichen Marginalien aus überlieferten Handexemplaren von Troeltschs Schriften. Hinzu kommen Vorlesungsdiktate, parlamentarische Reden und Voten, die Briefe und akademischen Gutachten sowie von Troeltsch verfaßte gelehrtenpolitische Aufrufe. Für den Aufbau der Gesamtausgabe gelten sowohl chronologische als auch sachbezogene Gesichtspunkte. Der Titel eines jeden Bandes erfaßt den gewählten Sachgesichtspunkt. Die den Titeln beigegegeben Jahresangaben kennzeichnen den Erscheinungszeitraum der Edierten Texte.

Die Ausgabe gliedert sich in folgende Bände:

  • Band 1: Schriften zur Theologie und Religionsphilosophie (1888-1902)
  • Band 2: Rezensionen und Kritiken (1894-1900)
  • Band 3: Beiträge zu Enzyklopädien und Lexika (1897-1914)
  • Band 4: Rezensionen und Kritiken (1901-1914)
  • Band 5: Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte 1902/1912, mit den Thesen von 1901 und den handschriftlichen Zusätzen
  • Band 6: Schriften zur Religionswissenschaft und Ethik (1903-1912)
  • Band 7: Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit (1906/1909/1922)
  • Band 8: Schriften zur Bedeutung des Protestantismus für die moderne Welt (1906-1913)
  • Band 9: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen (1912) (in zwei Teilbänden: 9/1-2)
  • Band 10: Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik (1913) (in zwei Teilbänden: 10/1-2)
  • Band 11: Schriften zur Theologie und Kulturgeschichte (1913 -1922)
  • Band 12: Schriften zur Politik (1914-1918)
  • Band 13: Rezensionen und Kritiken (1915-1923)
  • Band 14: Spectator-Briefe (1918-1922)
  • Band 15: Schriften zur Politik und Kulturphilosophie (1919-1923)
  • Band 16: Der Historismus und seine Probleme (1922) (in zwei Teilbänden: 16/1-2)
  • Band 17: Amtliche Schriften, Reden und Gutachten
  • Band 18: Briefe I
  • Band 19: Briefe II
  • Band 20: Nachgelassene Texte und Diktate
  • sowie ein Gesamtregister und Werkverzeichnis Ernst Troeltschs

Das Unternehmen Troeltsch KGA konnte auf zum Teil schon über zehnjährige Vorarbeiten und Recherchen aufbauen, so daß relativ unverzüglich mit der konkreten Edition begonnen werden konnte. Diese Arbeiten sind z. T. in den von Friedrich Wilhelm Graf und Horst Renz initiierten Troeltsch-Studien dokumentiert. Die ersten Monate der Editionsarbeit waren freilich vor allem bestimmt durch die Ausarbeitung der Editionsrichtlinien, an denen alle Mitarbeiter beteiligt waren. In umfänglichen Richtlinien wurden detailliert die allgemeinen Editionsprinzipien sowie technische Regeln für die Editionsarbeit ausgearbeitet. Die Verpflichtung der Troeltsch KGA auf die historisch-kritische Methode bedeutet ein Editionsverfahren, das erstens einen kritischen, d. h. den am editionsrelevanten Material überprüften Text präsentiert, der zudem von Textverderbnissen bereinigt ist, so daß ein dem Willen des Autors möglichst angenäherter Text geboten wird, wobei alle editorischen Eingriffe ausgewiesen werden. Zweitens gibt eine historisch-kritische Ausgabe Auskunft über die historische Entwicklung des Edierten Textes, das heißt alle Textstufen und Textschichten werden exakt wiedergegeben. Zum Edierten Text wurde in der Troeltsch KGA die „“Ausgabe letzter Hand“ erklärt, also die letzte von Troeltsch überwachte bzw. genehmigte Druckfassung. Die jeweiligen vorherigen Textstufen einschließlich handschriftlicher Varianten werden im textkritischen Apparat mitgeteilt.

Bei der Kommentierung der Texte galt es, eine Lösung zu finden, die dem Leser wichtige Zusatzinformationen wie Literaturnachweise und -präzisierungen, Erläuterungen ungeläufiger Begriffe, Sachverhalte und Bezüge sowie textliche Belege von Literaturangaben bietet, ohne daß das Prinzip der knapp dokumentierenden, nicht interpretierenden Edition verletzt wird. Hier haben die Editoren die Erfahrung gemacht, daß dem Wunsch nach editorischer Askese doch enge Grenzen gesetzt sind. Die festgelegten Kommentartypen geben sehr genau den jeweiligen Kommentarbedarf vor, so daß ein Abweichen einen Stringenzverlust bedeuten würde. Klar gezogen ist jedoch die Grenze zu einer Studienausgabe.

Den Start der Ausgabe bildet der von Trutz Rendtorff 1998 herausgegebene Band 5 „Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1902/1912), mit den Thesen von 1901 und den handschriftlichen Zusätzen“. Aktuell arbeitet Trutz Rendtorff zusammen mit Stefan Pautler an Band 8 „Schriften zur Bedeutung des Protestantismus für die moderne Welt (1906-1913)“, der den berühmten Vortrag Troeltschs auf dem Historikertag von 1906 über „Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt“ enthält. Dieser Band, für den die Heidelberger Akademie der Wissenschaften bereits das Imprimatur erteilt hat, wird im Frühjahr 2001 erscheinen.

Ebenfalls kurz vor Abschluß steht in Tübingen unter Verantwortung von Volker Drehsen und Christian Albrecht Band 7 „Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit (1906/1909/1922)“. Erscheinungsjahr für diesen Band ist ebenfalls 2001.

In Vorbereitung befinden sich an der Münchener Arbeitsstelle am Lehrstuhl von Friedrich Wilhelm Graf Band 16 „Der Historismus und seine Probleme ( 1922)“. Dieser auf zwei Teilbände angelegte Band, dessen Betreuung nach Karl-Heinz Fix jetzt Matthias Schloßberger übernommen hat, wird bis zum Sommer 2001 abgeschlossen werden. Hinzu kommt die Bearbeitung der beiden ersten Rezensionenbände (KGA 2 und 4 ), bearbeitet zunächst von Patricia Just und jetzt von Markus Eder. Der immense Arbeitsaufwand an diesen beiden Bänden ist u. a. darin ersichtlich, daß KGA 2 die vier großen Sammelrezensionen Troeltschs im „Theologischen Jahresbericht“ ° enthält, in denen Troeltsch über 1200 Titel anführt, die für unsere Edition jeweils autoptisch überprüft werden müssen. Zahlreiche Titel haben sich nur in ausländischen Bibliotheken nachweisen lassen.

Nachdem vor kurzem weitere Handexemplare Troeltschs aus dem Besitz der Familie der Troeltsch KGA zur Verfügung gestellt wurden, hat sich hier ein weiteres umfängliches Arbeitsgebiet aufgetan. Momentan ist die Münchener Arbeitsstelle damit beschäftigt, das Handexemplar der „Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen“ zu transkribieren. Christian Nees, der schon die schwierigen Transkriptionen bei KGA 5 übernommen hat, hat sich zusammen mit Friedemann steck dieser Aufgabe gestellt. Hier sind wichtige Erweiterungen zu erwarten, da dieses Handexemplar offensichtlich die Grundlage für eine zweite Auflage der ,,Soziallehren“ bi1dete, die nicht zustande kam. In stetiger Fortführung stehen ebenfalls in München die Arbeiten an den beiden Briefbänden (KGA 18 und 19). Der bisherige Bestand ist vollständig transkribiert. Von allen Arbeitsstätten wird weiter recherchiert, so daß immer wieder vereinzelt neue Troeltsch-Briefe und Autographen gefunden werden. Trotz dieser neuen Funde hoffen wir, den ersten Briefband in Bälde editorisch angehen zu können. Dazu bedarf es auch der Unterstützung durch andere Troeltsch-Forscher, die seit langen Jahren Briefe Troeltschs sammeln. Über die editorische Verantwortung der Brief-Bände ist noch nicht abschließend entschieden.

Im Zuge der Vorarbeiten für die Edition hat Friedrich Wilhelm Graf zusammen mit Christian Nees begonnen, systematisch Nachrufe auf den 1923 verstorbenen Troeltsch zu sammeln. Inzwischen sind in französischen, italienischen und amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften weitere Nachrufe nachgewiesen worden. Diese Sammlung von mehr als 150 Nachrufen auf Troeltsch bietet zahlreiche instruktive Informationen zur Werkgeschichte seiner Texte sowie zu seiner Vortragstätigkeit. Dieser Nachrufband, der eine große Auswahl repräsentativer Würdigungen von Troeltsch versammelt, wird 2001 als Band 12 der Troeltsch-Studien publiziert werden.

In Frankfurt/Oder hat Gangolf Hübinger mit Johannes Mikuteit begonnen, Band 15 „Schriften zur Politik und Kulturphilosophie (1919-1923)“ zu edieren. Diese Arbeiten gehen zügig voran, so daß ebenfalls 2001 mit einem Erscheinen dieses Bandes zu rechnen ist. Da hiermit 2001 mehrere Bände der Troeltsch KGA erscheinen werden, kann erwartet werden, daß das positive Echo, das die Edition bisher gefunden hat, sich verstärkt und die Troeltsch KGA sich neben anderen theologischen und kulturwissenschaftlichen Editionen fest etabliert.